{"id":5703,"date":"2022-03-21T14:38:29","date_gmt":"2022-03-21T13:38:29","guid":{"rendered":"https:\/\/www.frau-ida.at\/?p=5703"},"modified":"2023-02-13T07:45:27","modified_gmt":"2023-02-13T06:45:27","slug":"volkskrankheit-stress-lebenselixier-statussymbol-oder-gift-ein-denkanstoss","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.frau-ida.at\/blog\/2022\/03\/21\/volkskrankheit-stress-lebenselixier-statussymbol-oder-gift-ein-denkanstoss\/","title":{"rendered":"Volkskrankheit Stress: Lebenselixier, Statussymbol oder Gift?"},"content":{"rendered":"\n
\u2013 Ein Denkansto\u00df von Mag. Lisa Hahn, Klinische- und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin (in Ausbildung)<\/strong><\/p>\n\n\n\n \u201eIch bin gestresst!\u201c \u2013 ist eine viel geh\u00f6rte Antwort auf die Frage nach der eigenen Befindlichkeit. Der Stressbegriff ist aus unserer Alltagssprache nicht mehr weg zu denken, betrifft er mittlerweile so gut wie alle Lebensbereiche, wie den Arbeitsstress, den Schulstress, den Freizeitstress, den Beziehungsstress und sogar von Urlaubsstress wird immer wieder gesprochen. Von den meisten Menschen wird mit diesem Ausdruck ein Zustand der \u00dcberforderung gemeint, welcher mit k\u00f6rperlichen und seelischen Beeintr\u00e4chtigungen einhergeht.<\/p>\n\n\n\n \u201eIm Stress zu sein\u201c wird dabei sehr oft als ein \u00e4u\u00dferes \u00dcbel (miss-) verstanden, dem der einzelne Mensch wie ein hilfloses Opfer ausgeliefert ist. Zudem wird ein gewisser Stresszustand in unserer Gesellschaft immer mehr als Statussymbol angesehen. Nicht selten mischt sich in die Klage \u00fcber ein Zuviel an Stress ein Unterton von Stolz mit ein. \u201eJe gestresster, desto erfolgreicher\u201c scheint die allgemein akzeptierte Devise zu sein. Stress wird zu einem Zeichen der Wichtigkeit und Bedeutsamkeit der eigenen Person.<\/p>\n\n\n\n Sichtweisen wie diese verhindern jedoch, sich mit dem eigenen Verhalten und den Einstellungen auseinanderzusetzen, welche bei der Entstehung des Stressempfindens eine entscheidende Rolle spielen.<\/p>\n\n\n\n Das Motiv, also das \u201eWarum\u201c, hinter einem chronischem Stresserleben zu finden, ist ein wesentliches Ziel in der psychotherapeutischen Behandlung von stressassoziierten k\u00f6rperlichen und psychischen Erkrankungen. Ein paar Motive sind im Folgenden beschrieben. Nat\u00fcrlich stellen diese nur eine kleine Auswahl dar. Letztlich k\u00f6nnen Sie selbst in sich hineinhorchen und sich die Frage nach Ihrem \u201eWarum\u201c beantworten.<\/p>\n\n\n\n Obwohl der Mensch heute statistisch gesehen \u00fcber mehr Freizeit denn je verf\u00fcgt, k\u00f6nnen sich viele in ihrer freien Zeit kaum mehr erholen. Gr\u00fcnde daf\u00fcr gibt es einige. Die Digitalisierung verschiebt Arbeitszeitgrenzen, viele Menschen sind st\u00e4ndig verf\u00fcgbar und in \u201eAlarmbereitschaft\u201c. T\u00e4tigkeiten werden mehr denn je von neuen Anforderungen unterbrochen, die Konzentration muss dabei jedes Mal wieder neu ausgerichtet werden \u2013 Multitasking ist eine Illusion, die in der Realit\u00e4t nicht existiert.<\/p>\n\n\n\n Leistungsdenken, Perfektionismus, Konsumzwang, Ehrgeiz und Prestige bestimmen oft auch das Freizeitverhalten. Die Freizeit wird zwar mit vielf\u00e4ltigen Aktivit\u00e4ten gef\u00fcllt, wenige oder keine davon bieten jedoch echte Erholung. Hektische Betriebsamkeit, Ungeduld, die Angst etwas zu verpassen, den Urlaub nicht \u201erichtig\u201c zu nutzen, lassen keinen Raum f\u00fcr innere Ruhe und Entspannung.<\/p>\n\n\n\n Auch das mangelnde Bewusstsein f\u00fcr eigene Bed\u00fcrfnisse und die Anpassung an die W\u00fcnsche anderer k\u00f6nnen die viel gebrauchte Erholung verhindern. Die Freizeit stellt somit oftmals keinen regenerativen Ausgleich zur Arbeitswelt dar, sondern gleicht eher einer Verdoppelung.<\/p>\n\n\n\n Wichtig w\u00e4re es, sich die Fragen zu stellen: \u201eWas brauche ich, um mich entspannen zu k\u00f6nnen?\u201c Und auch: \u201eWas hindert mich daran?\u201c<\/p>\n Mag. Lisa Hahn<\/strong> <\/cite><\/blockquote>\n\n\n\n Sich in Arbeit oder Dauerbesch\u00e4ftigung zu st\u00fcrzen, ist f\u00fcr viele Menschen auch ein probates Mittel, Konflikten in der Partnerschaft oder in der Familie auszuweichen oder Gef\u00fchle innerer Leere zu \u00fcberspielen. St\u00e4ndig auf der Flucht \u201evor sich selbst zu sein\u201c verhindert die Wahrnehmung eigener Gef\u00fchle und f\u00fchrt letztlich nur zu einer \u201eProblemverschiebung\u201c in psychosomatische Beschwerden, welche mit der Ablenkungstaktik \u201eStress\u201c einhergehen.<\/p>\n\n\n\n Auch fr\u00fche Kindheitserfahrungen pr\u00e4gen unser Stresserleben. Wurden in der Kindheit Grundbed\u00fcrfnisse nach bedingungsloser Wertsch\u00e4tzung und Anerkennung von den nahen Bezugspersonen systematisch nicht erf\u00fcllt, kann im Erwachsenenalter ein dauerhaftes Leistungs- und Perfektionsstreben zu einer gesundheitssch\u00e4dlichen Strategie werden, eben diese Grundbed\u00fcrfnisse doch noch erf\u00fcllt zu bekommen \u2013 nach dem Motto \u201eIch bin nur dann wertvoll, wenn ich leiste\u201c. Das D\u00fcrsten nach Lob und Anerkennung unter konstant hohem Arbeitsaufwand, oft auch gepaart mit mangelnder Selbstf\u00fcrsorge und \u00fcberzogenem \u201eHelfersyndrom\u201c kostet viele Energieressourcen und f\u00fchrt langfristig nicht selten ins Burnout.<\/p>\n\n\n\n Fr\u00fchkindliche Bindungserfahrungen spielen auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, wie schnell wir auf einen Stressor reagieren. Die Intensit\u00e4t der m\u00fctterlichen Zuwendung in der ersten Zeit nach der Geburt wirkt sich darauf aus, wie schnell unter belastenden Bedingungen Stresshormone ausgesch\u00fcttet werden. Die in der fr\u00fchen Kindheit erlebte Zuwendung wirkt gewisserma\u00dfen wie ein Schutzmantel oder eben wie ein Risikofaktor bis ins Erwachsenenleben hinein.<\/p>\n\n\n\n Auch wenn fr\u00fchkindliche Erfahrungen einen wichtigen Anteil daran haben, wie schnell es zur Aussch\u00fcttung von Stresshormonen kommt, so k\u00f6nnen wir dennoch im Hier und Jetzt einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, unsere Stressreaktion zu beeinflussen, n\u00e4mlich, indem wir uns unserer Gedanken bewusst werden.Ph\u00e4nomen \u201eFreizeitstress\u201c<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
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Flucht vor innerer Leere oder Problemen<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Pr\u00e4gende Kindheitserfahrungen als Stressverst\u00e4rker<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Die Wichtigkeit der pers\u00f6nlichen Bewertung<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Mittels einer Psychotherapie k\u00f6nnen gesundheitssch\u00e4dliche Denkmuster identifiziert und bearbeitet werden. Durch das regelm\u00e4\u00dfige \u00dcben und Anwenden gesundheitsf\u00f6rderlicher Denkweisen k\u00f6nnen die alten \u201eTrampelpfade\u201c im Gehirn durch neue ersetzt werden. Die fr\u00fchkindliche Pr\u00e4gung kann sozusagen \u201eumprogrammiert\u201c werden, so dass Belastungssituationen wesentlich selbstsicherer bew\u00e4ltigt werden k\u00f6nnen.
Dass es einen Unterschied darin gibt, wie Menschen Situationen wahrnehmen, beschrieb bereits der amerikanische Psychologe Richard Lazarus 1984 in seinem \u201eTransaktionalen Stressmodell\u201c. Unsere pers\u00f6nliche Bewertung entscheidet dar\u00fcber, ob wir uns unangenehm gestresst (\u201eDisstress\u201c) oder angenehm aktiviert (\u201eEustress\u201c) f\u00fchlen.
Kommen wir zu dem Urteil, dass wir nicht \u00fcber ausreichend Ressourcen (F\u00e4higkeiten, M\u00f6glichkeiten) verf\u00fcgen, um eine Situation gut bew\u00e4ltigen zu k\u00f6nnen, stellt diese eine Bedrohung f\u00fcr uns dar, der K\u00f6rper bereitet sich auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vor und reagiert mit einer Stressreaktion. Situationen stellen vor allem dann eine Gefahr f\u00fcr uns dar, wenn wir diese als unkontrollierbar, also nicht selbst beeinflussbar wahrnehmen.<\/p>\n\n\n\nDie vier Ebenen der Stressreaktion<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
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Wovon ist nun die Rede, wenn wir von einer \u201eStressreaktion\u201c sprechen? <\/strong><\/em>
Eine Stressreaktion bezeichnet alle Prozesse, die von einer Person als Antwort auf einen \u201eStressor\u201c, also einen Ausl\u00f6ser (z.B.: zu viel Arbeit, Zeitdruck, zwischenmenschliche Konflikte, L\u00e4rm, Hitze etc.), in Gang gesetzt werden. Diese Antworten k\u00f6nnen sich auf vier verschiedenen Ebenen zeigen und sp\u00fcrbar werden<\/strong>: <\/p>\n<\/div>\n\n\n\n